Ein Konzert für den Frieden

Samuel Barber, Christoph Schömig, Karl Jenkins –

Konzert am 02. Oktober 2016 in der Salvatorbasilika Prüm – Rezensionen zum Nachlesen, Rückblicke…

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Rezension in “Prüm Aktuell” vom 03.10.2016 von Paula Sonnen

„The Armed Man“ in der Prümer Basilika

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Prüm (boß) Unter der Leitung von Regionalkantor Christoph Schömig begeisterten der Kammerchor Westeifel, Solisten und die Junge Philharmonie Bonn hunderte von Besuchern mit einem Konzert für den Frieden.

chor-total-linksDer walisische Komponist Karl Jenkins widmete dieses Antikriegsstück den Opfern des Kosovokrieges, in dem Muslime und serbisch Orthodoxe gegeneinander kämpften. Daher findet sich in seinem Werk sowohl der Gesang eines Muezzins mit dem „Allahu Akbar“ – einem Glaubensbekenntnis, mit dem die Muslime zum Gebet gerufen werden – als auch in der Folge ein Teil der christlichen Messe, das Kyrie, das als Anrufung Gottes im katholischen und evangelischen Gottesdienst zur inneren Vorbereitung gehört. Der Ruf des Muezzin war eine Premiere in der Prümer Basilika und ein gutes Zeichen für den Frieden zwischen den Religionen.

 

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„The Armed Man“ stützt sich auf Texte der katholischen Messliturgie, verknüpft mit anderen religiösen und historischen Quellen. Inspiriert aus anderen Musikwerken findet Jenkins seine eigene künstlerische Sprache. Seine hier vertonten Texte beinhalten Lieder in vier Sprachen (Französisches Liedgut, lateinische und arabische Texte aus Bibel und Koran, liturgische Texte aus der Messe und die Texte englischer, indischer und japanischer Autoren).
Das geistliche Konzert in der St. Salvator Basilika beginnt mit der Melodie „Agnus Dei“ von Samuel Bauer. Der Kammerchor versteht die Trauer, Sehnsucht, Liebe und Leidenschaft des Chorwerkes  auszudrücken. Es folgt eine Chorimprovisation über „Da pacem Domine“ von Christoph Schömig, welches die Basilika in einen wahren Klangteppich verwandelte.
Die Ruhe des Gotteshauses wurde im Anschluss in Erwartung auf das angekündigte Stück „The Armed Man” von einmarschierenden Füßen bedroht. Der Sogwirkung der Marschtritte, überlagert von drohenden Trommelschlägen und Tönen einer Piccoloflöte, kann sich das Publikum nicht entziehen. Es folgen Trompeten, Kontrabass, Cello und die Streicher. Der Chor singt das Soldatenlied L‘homme armé  (aus dem 15. Jahrhundert).
Die erste Hälfte des Werks wird dominiert von Marschrhythmen und Fanfarenklängen – drohende Streicherklänge erinnern an marschierende Kolonnen.
Es folgt der islamisch traditionelle Aufruf zum Gebet, ein Solostück, von Muezzin Ibrahim Gezer, tief und einprägsam von der Orgelempore in die Weite und Stille der Basilika hinein.

 

Sopranistin Eva-Maria Wenz fleht: „Kyrie eleison, Herr erbarme dich“ aus der katholischen Mess-Liturgie, der Chor folgt dieser Bitte. Beim „Christe eleison“ wird es ohrenbetäubend, die Pauken halten warnend Einzug und verstärken mit strengem Trompetenklangspiel, in Begleitung weiterer Instrumente des Orchesters, den flehenden Ruf der Frauenstimmen. Der Chor steigert sich im Wechsel von leise bis zum vollen mehrstimmigen Klang.

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Männerstimmen in gregorianischem Stil (Bibelpsalm  56 und 59) „Save me from the Bloody Men“ (Hilf mir gegen die Blutgierigen) lassen spüren, die Kriegsmaschinerie rollt an. Auch hier spielen vor allem die Pauken eine führende Rolle.

 

Hilflos der Mensch in seinem Sanctusruf, hier der Chor, begleitet von Shaker und Orchester.
Es werden im Lobgesang vor der Schlacht, Texte von Rudyard Kipling aus: The seven Seas verwendet. Hier seltsam anmutend der ungewöhnliche militärische Saitenschlag der Cellos. Zum Angriff  blasen die Trompeten, es folgt der „Song for St. Cecilia’s Day“ von John Dryden, der mit einem lauten, schrillen Aufschreiklanggebilde des Chores endet.
Es folgt Stille, dann ein Gong, ein Hornsignal verkündet das „Last Past“ zu Ehren der Gefallenen. Doch die Angry Flames lodern weiter, hier ein Text von Töge Sankichi, Überlebender des Atombomenabwurf über Hiroshima.

 

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Kontrabaß und Glockengeläut bereiten auf den Text vor, von Sopranistin Eva-Maria Wenz und Bariton Harald Thome perfekt in Szene gesetzt. Auch die Cellos sind wieder führend mit an Bord, das Orchester begleitet. Aus dem Mahábharata entnommen ist der Text „Torches“ (Fackeln), der zwischen 400 v. Chr. und 400 n. Chr. in Indien entstand. Er stellt den Schrecken und das Leid verbrennender Tiere dar. Nach dem sich anschließenden Agnus Dei, der Bitte um Frieden, folgt „Now the Guns have Stopped“ (Nun, da die Waffen schweigen), das Guy Wilson schrieb. Darin werden die Selbstvorwürfe der Überlebenden des Krieges dargestellt.

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Nach dem „Benedictus qui venit“ endet die Messe mit „Better is Peace“ (Besser ist Frieden), worin Texte von Thomas Malory, Alfred Lord Tennyson, aus dem Lied L’homme armé sowie aus der Offenbarung des Johannes verarbeitet sind.
Der Kammerchor mit den ausgewählten Solistinnen und Solisten sowie die Junge Philharmonie Bonn wussten die Zeugnisse aus dunkelster Vergangenheit ergreifend und eindringlich zu interpretieren. Regionalkantor Christoph Schömig dirigierte den ganzen Abend über punktgenau mit vollem Einsatz.
Dafür erhielten die Aufführenden viel Beifall.

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Die Bitte um Frieden – stellvertretend für alle Menschen und unabhängig von Religionen, im Werben für gegenseitigen Respekt und Toleranz mit dem Ziel eines friedlichen Miteinanders – wurde gehört und wird hoffentlich weitergetragen.

 

Paula Sonnen (Text und Bilder)

 

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Rezension im Trierischen Volksfreund vom 04.10.2016

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Mit den Waffen der Kunst

“The Armed Man”: Bewegende Friedensmesse in der Basilika

 

 

(Prüm) Prüms Beitrag zum Tag der Deutschen Einheit ist ein Konzert für den Frieden. Der Kammerchor Westeifel und die Junge Philharmonie Bonn unter der Leitung von Regionalkantor Christoph Schömig boten 420 Besuchern in der Basilika eine bewegende Aufführung von Karl Jenkins Messe “The Armed Man”.

 

Prüm. Zur Basilika führt kein direkter Weg durch die Baustelle auf dem Hahnplatz, die Besucher müssen links und rechts der aufgerissenen Fläche auf Umwegen zum Konzert gelangen. Trotz des Dauernieselregens am ersten Oktobersonntag kommen 420 Menschen, zusätzliche Stühle werden seitlich der Kirchenbänke aufgestellt, damit jeder Besucher einen Sitzplatz findet.

 

In dem Augenblick, als die ersten sphärischen Töne des “Agnus Dei” des amerikanischen Komponisten Samuel Barber erklingen, nimmt Christoph Schömig die Zuhörer mit auf eine Reise, die 90 Minuten spannend, bedrohlich, ergreifend ist und schließlich versöhnlich endet. Bereits bevor Karl Jenkins’ Friedensmesse “The Armed Man” ansetzt, schaffen der Westeifelchor und Schömig mit der Improvisation über “Da pacem Domine” eine einzigartige Stimmung in der Basilika, die dank Phasenverschiebungen und individuellem Gesangstempo der im Kirchenraum verteilten Sängerinnen einen Klangteppich webt, der Gänsehaut erzeugt.

Perfektes Zusammenspiel
Es ist eine perfekte Vorbereitung auf das, was der Kammerchor Westeifel, die Junge Philharmonie Bonn und der Regionalkantor aus dem Werk des 1944 geborenen Walisers Jenkins herausholen.

 

Jenkins hat in seinem Schaffen etliche musikalische Grenzen niedergerissen, er ist sowohl Jazzmusiker als auch Komponist geistlicher Chormusik, hat Film- und Fernsehmusik verfasst und kennt keine Scheu, sich aus diversen Quellen der Musikgeschichte zu bedienen. “The Armed Man” ist eine Auftragsarbeit ausgerechnet des britischen Waffenmuseums “Royal Armoury” zur Jahrtausendfeier. Karl Jenkins widmete seine Friedensmesse den Opfern des Kosovo-Krieges von 1999.

 

Auch hier bedient sich der Komponist verschiedener historischer und religiöser Texte und vermengt musikalische Sparten, um die Schrecken des Krieges zu zeichnen. Und nicht nur das: Jenkins fügt den stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten eines Chors noch einige lautmalerische hinzu und lässt ihn als die Menschenmenge agieren, die er ja ist.
Es wird marschiert, geschrien, gemurmelt und gestöhnt. Zwischen wunderschön gesungenen Soli von Eva-Maria Wenz, Ellen Höfer und Harald Thome und den Passagen, in denen der Kammerchor Westeifel perfekte Vierstimmigkeit demonstriert, erklingt plötzlich der Gebetsruf eines Muezzin, den Ibrahim Gezer von der Empore herab erklingen lässt. Und in der Stille nach der Schlacht das traurige Hornsignal “The Last Post”, das der Hornist der Jungen Philharmonie, für die Zuschauer unsichtbar, aus der Ferne intoniert.
Es ist im besten Sinne des Wortes großes Kopfkino, das Schömig, der Kammerchor und die Jungen Philharmoniker in der Basilika entfalten.
Zum Dank gibt es minutenlang stehende Ovationen des Publikums nach dem letzten, hoffnungsvollen Stück der Friedensmesse. Darin herrscht ein Satz vor, der mit seiner glasklaren Logik Kriege verhindern könnte – falls er Gehör findet: Better is peace than always war – Frieden ist besser als ständiger Krieg.

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Text und Bilder: Trierischer Volksfreund (e_pruem)